
Dieser Beitrag stammt aus unserem Buch “Hybridunterricht 101” – ein Gemeinschaftswerk von 33 Autor:innen, das zeigt, wie Hybridunterricht in modernen Unterrichtskonzepten umgesetzt werden kann.
Du startest dein Ref in einer spannenden wie auch absurden Zeit. Du hast jetzt die Chance Unterricht auf neue Weise zu entdecken und zu gestalten. Sei mutig und probiere Neues aus!
– Tim Kantereit
Hallo du! Und auch Moin und Servus!
Hey, Moment mal, was soll diese informelle Anrede zu Beginn eines Buchs? Vielmehr hättest du jetzt vielleicht ein “sehr geehrte Leserin und Leser” und ein “Sie” erwartet. Das vorliegende Buch ist ein Gemeinschaftswerk von (sich teilweise völlig unbekannten) Menschen, die sich zusammengetan haben, um kollaborativ über das Internet ein Buch zum hybriden Unterricht (vgl. 4.2) zu schreiben. Social Media (Twitter und Instagram) haben diese Vernetzung erst möglich gemacht. Und in Social Media verwendet man halt “du” anstelle von “Sie”. Das “du” ist also nicht unhöflich zu verstehen, sondern der Etikette von Social Media geschuldet.
Zeitgemäßer Unterricht
Wie kam es dazu? Und warum? Um diese Fragen zu beantworten, hole ich ein klein wenig aus. Der Weg begann im November 2019. Über den Aufruf einer Blogparade (Blogger verfassen dazu auf ihren Blogs Texte zu einem Thema, die zentral auf dem Blog des Ausrufers der Blogparade zusammengefasst werden) von Bob Blume fing ich an, über “zeitgemäßes Lernen” nachzudenken und entwickelte neun Anzeichen eines “zeitgemäßen Unterrichts” (hier auch als Hörbeitrag).

Leitwerte für Hybridunterricht
Mit Beginn der Corona-Pandemie und den damit einsetzenden Schulschließungen im März 2020 bemerkte ich, dass diese Anzeichen ebenfalls gut zum “neuen” digitalen Fernunterricht passen und sich als Leitwerte etablieren könnten. Ich stellte später fest, dass die einzelnen Leitwerte sich teilweise überschnitten und strebte daher eine Reduzierung auf die absolut wichtigen Must-Dos an. Herausgekommen sind die “Sechs Leitwerte für digitalen Fern- und Hybrid-Unterricht”.

Ich wurde mehrmals danach gefragt, was sich hinter den einzelnen Leitwerten verbirgt, was z.B. zu formativer Bewertung gehöre oder was man unter agiler Didaktik verstehen oder wie man im Unterricht auf Distanz starke Beziehungen aufbauen kann.
Ein Buch, viele Autoren: der Booksprint
So reifte in mir die Idee, ein Buch dazu zu schreiben. Es hätte jedoch lediglich meine Perspektive aufgezeigt und wie ich die Dinge gesehen hätte. Seit März ist das Netz und Twitter voller von großartiger Ideen, wie man auf Distanz Unterricht gestalten kann, wie sich Videokonferenzen methodisch
gestalten lassen oder welche Tools sich für welche Zwecke anbieten. Ich wollte daher diese Multiperspektivität im Buch abbilden. Und eines Abends kam mir die Idee, dass es doch toll wäre, wenn ich das Buch nicht alleine schriebe, sondern Personen, die in einzelnen Bereichen meiner Leitwerte eine viel größere Expertise haben als ich. Die Idee des Booksprints “Hybrid- Unterricht” war geboren. Es sollte etwas entstehen, dass für dich als Lehramtsanwärter:in so etwas wie ein Leitfaden sein kann, sich in der neuen Situation zurechtzufinden und auf Ideen zukommen, wie “neue” Formen von Unterricht sinnvoll und lernwirksam gestalten werden können, wie Lernen unter Hygienekonzepten realisierbar ist. Podcastfolge kannst du auch hören, wie Referendar:innen mit der Situation umgegangen sind.
Natürlich soll das Buch dich auch ansprechen, wenn du ausgebildete Lehrkraft, Schulleitung, Elternteil, Stundent:in o. ä. bist. Lies also ruhig weiter.

Ich sammelte zunächst Fragen und Eindrücke zur Situation „Corona und Schule“ über eine Mentimeter- Umfrage. Diese Fragen sollten als Impulse dienen, die einzelnen Kapitel inhaltlich auszufüllen. Es fanden sich 33 bemerkenswerte Persönlichkeiten aus dem #twitterlehrerzimmer und #fl_seminar auf Twitter und im #instalehrerzimmer, die sich als Autor:innen für dieses Gemeinschaftswerk zusammengeschlossen haben.
Das Ergebnis, welches in unglaublich kurzer Zeit, von knapp sechs Wochen, entstanden ist, hältst du jetzt in deinen Händen.
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich allen danken, die dieses Werk ermöglicht haben. Ihr seid großartig. Vielen, vielen Dank für eure schöpferische Kraft und Inspiration! Das Buch ist ein Beispiel dafür, wie Vernetzung zu kollaborativer Arbeit anregen kann
und wie gut diese über Bundesländergrenzen, ja sogar Landesgrenzen hinweg funktioniert. Im Buch findest du Beiträge aus Schleswig-Holstein, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Hamburg, dem Saarland und aus dem Nachbarland, der Schweiz.
Aufbau und Nutzung dieses Buches
Das Buch ist nicht linear aufgebaut. Du kannst also im Inhaltsverzeichnis und/oder im Buch stöbern und die für dich interessanten Artikel lesen. Manchmal gibt es zu einem Thema mehrere Artikel, die die unterschiedlichen Möglichkeiten aufzeigen. Wie es für digitale Arbeit typisch ist, findest auch immer wieder Verlinkungen und Beiträge digitaler Art, wie z.B. Videos, Blogs und Podcasts. Es gibt auch Downloadmaterial, das du für deinen Unterricht nutzen kannst. Das Buch ist also ein Ausgangspunkt, die digitale Welt zu ergründen und eine Einladung sich in bestimmte Themen vertieft einzuarbeiten.
Solltest du Fragen haben oder Fehler im Buch finden und melden wollen, kannst du mir ganz einfach eine Mail an tim.kantereit@gmail.com schreiben.
Über den Inhalt
In Kapitel eins findest du eine Übersicht der Autor:innen mit kurzen Profilen und ihren Namen in den sozialen Netzen.
In Kapitel zwei erläutert Tom Mittelbach die Voraussetzungen für eine starke Lehrer:innen- Schüler:innen-Beziehung. Es folgt eine an Beispielen dargestellte Beschreibung eines Modells zur Entwicklung der L-S-Beziehung von Dr. Jens Christian Soemers. In der Übersetzung eines Blogbeitrags von Leah Henry wird dargestellt, wie man eine starke Beziehung im Online-Unterricht aufbauen kann. Weiter stellt Bettina Knuppertz dar, wie sich L-S-Beziehungen zwischen hochbegabten und hochsensiblen Schüler:innen entwickeln können. Abschließend beschreibt Katrin Wenzel, wie sich Elternarbeit zur Stärkung der Beziehung im Hybridunterricht gestalten lässt.
In Kapitel drei geht es um Motivation in hybriden Lernsettings. In einem Blogartikel appelliert Björn Nölte dafür Schüler:innen mehr Eigenverantwortung zu geben. Holger Müller-Hillebrand plädiert dafür Schüler:innen mehr Vertrauen zu schenken. Claudia Langnickel und Reinhard Schmidt zeigen auf, wie man durch Impulsvideos Schüler:innen motivieren und aktivieren kann.
In Kapitel vier geht es um Möglichkeiten zur Gestaltung von hybriden, d.h. digitalen asynchronen und synchronen Lernumgebungen inklusive der Verzahnung mit realem Präsenzunterricht. In einem Blogartikel beschreibt Philippe Wampfler verschiedene Modelle zur Verzahnung von digitalem Fern- mit Präsenzunterricht. Dr. Michael Drabe definiert den Begriff Blended Learning und erläutert ein Prozessmodell für hybrides Lernen im digitalen Unterricht. Tim Kantereit skizziert die Möglichkeiten Videomeetings methodisch aufbereitet durchzuführen. Er zeigt auch Methoden auf, wie sich synchrone Präsenzphasen in älteren Jahrgangsstufen agil und schülerzentriert gestalten lassen. Anna Reuter stellt mit Scrum und Design Thinking zwei weitere agile Arbeitsformen zum Projektlernen dar. Christian Feierabend hat Moderationskarten mit hilfreichen Methoden zum Präsenzunterricht mit Einhaltung der Hygienevorschriften entworfen. Bob Blume stellt mit KAKAO-Aufgaben und der 4+1 Regel hilfreiche Strukturen zum Arbeiten im Fernunterricht dar. Ingo Klüsserath skizziert wie Lernaufgaben zum Distanzlernen aussehen können. Klaus Oehmann und Dr. Patrick Blumschein erläutern hybrides Lernen und Lehren und stellen den Aufgabendidaktischen Kompass zur Gestaltung von Lernaufgaben zur Verfügung. Es schließt sich ein weiterer Blogbeitrag von Philippe Wampfler zum Dialogischen Lernen im Fernunterricht an. Dr. Lea Schulz denkt in ihrem Artikel den Aspekt Inklusion im Fernunterricht mit.
Kapitel fünf dreht sich um Feedback. Tim Kantereit hat dazu ein Interview mit Dr. Benedikt Wisniewski zur Evaluation von Unterricht geführt und stellt dieses im Podcast zur Verfügung. Franziska Teine schreibt über die Wirksamkeit von Feedback und geht danach spezieller auf Audio- Feedback ein.
In Kapitel sechs werden Ideen und Möglichkeiten aufgezeigt, Kollaboration zu initiieren. Amelie Kinger und Steffen Wardemann stellen drei Ideen vor, wie man durch Kollaboration die Klassengemeinschaft stärken kann. Ines Bieler zeigt die Stärken von Netzwerken auf und nennt dabei Beispiele, um sich zu vernetzen. Tina Degering gibt anschließend einen Einblick in das Instalehrerzimmer und stellt Vorzüge und Nachteile zur Nutzung von Instagram im Bildungskontext auf. Jan Vedder zeigt auf, welches Potenzial in Peer- Fortbildungen steckt und wie man es im Kollegium zur Professionalisierung nutzen kann. Johanna Uhl stellt Möglichkeiten zur Initiierung von Kollaboration unter Schüler:innen aus ihrem Unterricht dar.
In Kapitel sieben geht es um zeitgemäße Aufgaben- und Prüfungsformate. Tim Kantereit stellt die Möglichkeit dar, dass Schüler:innen kollaborativ eBooks im Unterricht erstellen. Kathrin Stoffregen und Holger Müller- Hillebrand stellen in jeweils eigenen Texten Alternativen für Klausuren und Klassenarbeiten dar, bzw. neue Klassenarbeitsformate, wie z.B. die Take-Home-Klausur. Christian Feierabend stellt mit der Genius Hour ein zeitgemäßes Format für fachübergreifende Schülerprojekte dar. Lena Spak und Annie Doerfle zeigen auf, welche Erkenntnis Schulen, die auf offene Aufgabenformate Wert legen, gewonnen haben und wie sie ihnen in Zeiten von Corona helfen kann. Michael Schöngarth zeigt auf, was Schüler:innen beim Erstellen von Lernvideos lernen können. Björn Nölte gibt einen Einblick in die formative Leistungsbewertung, also die Möglichkeit Leistungen im Prozess zu bewerten.
Kapitel acht ist der Unterrichtsplanung gewidmet. Nina Samson stellt dar, wie sich hybrider Unterricht planen lässt. Bob Blume stellt die Planung einer digitalen Unterrichtseinheit vor. Michael Schöngarth gibt Einblick in den digitalen Unterrichtsentwurf. Sonja Senftleben stellt dar, wie man einen videobasierten Unterricht anhand der Kriterien für guten Unterricht planen und gestalten kann.
In Kapitel neun findest du Anregungen zum Lehrer:in sein. Du bekommst Vorschläge zum Vermeiden von Burnout von Christof Arn und Anleitung zum Erhalt der Lehrergesundheit von Christel Beck-Zangenberg. Katrin Grün gibt Hinweise und Tipps zur Ausstattung im Homeoffice und zeigt nützliche digitale Tools auf. Sonja Senftleben gibt zehn Tipps für einen alternativen Unterrichtsbesuch ohne eine Präsenzphase mit Schüler:innen. Weiter findest du vertiefendes Material und virtuelle Einblicke in die Arbeit mit einem Learning Management System von Tim Kantereit.
Lehrerinnen und Lehrer sind immer auch selbst Lernende. So wie wir Unterricht für unsere Schülerinnen und Schüler kooperativ aufbereiten und Zusammenarbeit fördern, so funktioniert das System Schule nur durch gelungene Zusammenarbeit im Kollegium. Nur wer Schule als Mannschaftssport betreibt wird auf Dauer glücklich in seinem Beruf.
– Jan Vedder