Exkurs: Wieviel Einfluss haben Tech-Konzerne auf den Bildungswandel?

Von Julian Lendler aus der Bachelor-Thesis Digitale Bildung – Zwischen Theorie und Realität im Schulalltag

Wir alle reden von digitaler Bildung. Digital ist die Zukunft, digital lernt man besser, digital lernt man effizienter. Klar ist jedoch, dass das “Digitale” in der Bildung nicht als neuen Standard, als vielmehr unterstützend betrachtet werden sollte.

Dazu ist das große Problem die Umsetzung der Digitalisierung. Gerade Deutschland hinkt dem OECD-Durchschnitt meilenweit hinterher. Und hier kommen die Tech-Konzerne wie Apple, Google oder Microsoft ins Spiel mit ihren umfassenden Services und Bildungsangeboten für Einzelanwender aber auch für ganze Schulen.

Diese riesigen Konzerne sind als Ergebnis des elektronischen Zeitalters hervorgegangen und sie haben maßgeblich dazu beigetragen, unser Leben zu verändern. Smartphones, Social Media oder E-Commerce sind wesentliche Dinge, die wir mittlerweile im großen Stil sehr häufig nutzen.

All diese Technologien wurden der breiten Masse dabei erst in den letzten 10 bis 15 Jahren geläufig. Eine Branche in unglaublich schnellem Wandel. Zuletzt profitierten die „Big Five“ – mit Facebook und Amazon – sogar von der Coronakrise. Die immer neue Erschließung von neuen Märkten und die massenhafte Investition in die Digitalisierung bescherten ihnen ein großes Wachstum.

Doch mit steigender Marktkapitalisierung wurden immer wieder Stimmen laut, diese Konzerne hätten zu viel Macht, da sie Monopole auf ihre Angebote haben und den Markt zu sehr dominieren. Sie würden viele kleine Firmen aufkaufen und die Konkurrenz damit schon im Keim ersticken.

Und jetzt sollen sie sich auch noch in die Bildung einmischen?

Die Tech-Konzerne Apple und Google preisen auf ihren Websites ihre Produkte als Mittel zu besserem Lernen an. Sie sollen ermöglichen, individueller zu lernen, Kreativität auszuleben und das Bildungssystem ganz allgemein zu verbessern.

Anhand des Pingpong-Prinzips möchte ich nun die Vor- und Nachteile der Bildungsangebote von Tech-Konzernen erläutern und mögliche Lösungen aufzeigen: 

Die Konzerne liefern hochwertige Produkte, die alle möglichen Kompetenzen und Fachbereiche bedienen können. Meist sind diese Produkte, wie beispielsweise Google Docs, das iPad oder auch Microsoft PowerPoint der Goldstandard in den jeweiligen Bereichen. Die Produkte sind ausgereift und am Markt etabliert. Der Einsatz dieser Produkte kann Schülern deshalb helfen, sich besser auf das Berufsleben vorzubereiten, da sie sich mit den etablierten Produkten und Anwendungen schon früh auseinandergesetzt und Kompetenzen aufgebaut haben.

Dem entgegen spricht, dass die Konzerne damit ihre Monopole nur noch weiter stärken. Die junge Generation der Schüler stellt die Kunden von morgen. Durch diese Bildungsangebote können Generationen deshalb schon früh beeinflusst und gebunden werden.

Das iPad kann in der Bildung für vielfältige Zwecke eingesetzt werden.

Die angebotene Beratungsunterstützung ist eine weitere gute Sache aus Sicht der Schulen. Im Verlauf haben wir gesehen, dass Schulen beim Digitalisierungsprozess oft überfordert sind und es an kompetentem Personal fehlt. Die Konzerne beziehungsweise deren Partner übernehmen eine solche Beratung und entwickeln Finanzierungskonzepte. Bei Apple übernehmen dies die sogenannten Apple Education Specialists. Meine Recherche hat ergeben, dass Apple dabei mit Partnern zusammenarbeitet, die offiziell als Education Specialists autorisiert sind und sich hinreichend mit Apple Produkten auskennen.

Ein negativer Aspekt könnte damit einhergehend die von Apple Produkten abhängige Beratung sein. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit Lernangeboten anderer Anbieter kann damit beim Hinzuziehen nur eines Anbieters nicht gewährleistet sein.

Aus Sicht des Staates ergeben sich ebenfalls Vorteile. Dieser muss sich im Prinzip nur um die Bereitstellung der finanziellen Mittel bemühen. Die weitere Verantwortung übernehmen die von den Schulen beauftragten Firmen und Beratungspartner.

Doch eine gewisse Kontrolle sollte dennoch stattfinden. Der Staat beziehungsweise die Schulen haben einen Bildungsauftrag und müssen diesem auch nachgehen. Sie haben dabei die Aufgabe, jeden jungen Menschen durch Erziehung und Ausbildung auf die Wahrnehmung von Verantwortung, Rechten und Pflichten in Staat und Gesellschaft sowie in der ihn umgebenden Gemeinschaft vorzubereiten. Wird hier nicht kontrolliert und reguliert, so können die großen Konzerne Bildung zu sehr nach ihren Vorstellungen ausrichten und Schulen von sich abhängig machen. Ob dies im Sinne des gesetzlichen Bildungsauftrages ist, darf bezweifelt werden. Dass die Politik diesen Prozess nicht genügend kontrolliert, zeigt deren Ahnungslosigkeit. Die Ministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär, soll auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung keine Ahnung von Begriffen wie Apple- oder Microsoft-Lehrern gehabt haben, sowie nichts von Zertifizierungen für Lehrer wissen. Die Politik sehe sich demnach für Fortbildungen im privaten Bereich nicht zuständig. Politiker sehen diese Einflussnahme also eher noch harmlos, doch Kontrolle wäre meiner Ansicht nach dennoch besser als blindes Vertrauen.

Zum Schluss kommt noch der Datenschutz ins Spiel. Dabei kann argumentiert werden, dass ein weniger strenger Datenschutz weniger kompliziert zu handhaben ist und die Digitalisierung leichter umgesetzt werden kann, da auf weniger Regeln geachtet werden muss.

Ein strengerer Datenschutz wiederum schützt die Daten jeder einzelnen Person und Konzerne können diese Daten nicht so einfach für Werbezwecke verwenden oder Nutzer ausspähen. Mehr Schutz bedeutet aber wiederum mehr Komplikationen und letztendlich fällt dies wieder zulasten der Innovation.

Sollten diese Angebote reguliert werden?

Wie sollte also schlussfolgernd vorgegangen werden? Da Tech-Konzerne keine Non-Profit-Organisationen sind, werden sie bei zu vielen Freiheiten vermutlich immer aus gewissem finanziellem Interesse handeln, auch wenn sie dies nicht offen zugeben oder geschickt tarnen.

“Bildung muss frei, unabhängig und losgelöst von wirtschaftlichen Interessen bleiben.”

Gefragt ist also ein guter Mittelweg. Apple, Google und Co. sollten nicht komplett aus der Bildung herausgehalten werden, da sie hilfreiche Services und Leistungen bieten, die einen echten Mehrwert bieten können.

Gleichzeitig muss der Staat sich jedoch über das Vorgehen und die Möglichkeiten dieser Konzerne besser in Kenntnis setzten, um sie kontrollieren und regulieren zu können. Nur so kann eine Untergrabung des Bildungsauftrages verhindert werden.

Auch für eine gewisse Diversität an digitalen Angeboten sollte gesorgt werden. So sollten Schulen möglicherweise in Betracht ziehen, nicht nur Angebote eines Herstellers zu beziehen, um Schüler markentechnisch nicht zu sehr zu beeinflussen.

Und dann wären da noch die Möglichkeit der Open Source Programme, auf die ebenfalls zurückgegriffen werden kann. Diese sind kostenlos und stehen nicht so sehr hinter einer Marketingstrategie. Als größtes Problem an der Sache sehe ich jedoch den Datenschutz. Solange die USA nicht mit dem europäischen Schutzniveau gleichziehen, werden immer komplizierte Abkommen notwendig sein, um dennoch genügend Sicherheit zu gewährleisten. Und selbst dann ist es fraglich, ob der amerikanische Staat nicht dennoch auf sensible Daten zugreifen kann.

Abschließend bleibt zu erwähnen: Das hier ist keine “Panikmache”, sehr wohl müssen wir uns aber im klaren über die Gesamtheit der Konsequenzen und auch unseren eigenen Möglichkeiten des Gegensteuern sein. Am Ende geht es immer darum, Dinge ausreichend zu hinterfragen und seinen ganz persönlichen Konsens zu finden.


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