Von offenen Lernformaten und Lerntagebüchern…

Von Lena Spak und Annie Doerfle aus dem Buch Hybridunterricht 101 (CC BY-SA 4.0)

Mit den neuen Herausforderungen durch Hybrid-Unterricht stellen sich Fragen wie: was macht eine vertrauensvolle Beziehung zu meinen Schülerinnen und Schülern aus und wie erhalte ich sie, wenn diese Zuhause sind? Oder: Wie läuft eine gute Kommunikation, wenn die Schüler:innen zu Hause sind. Wir wagen die steile These, dass letztlich das “Funktionieren” von Beziehung und Kommunikation nicht von Präsenz- oder Fernunterricht abhängt (oder nicht davon abhängig sein dürfte)! Ein wichtiger Einfluss für das Gelingen von Lernen ist eine offene und transparente Kommunikation. Das möchten wir kurz erklären.

So funktionieren offene Lernformate

Wir arbeiten mit Schulen zusammen, die in offenen Lernformaten unterrichten. In Schulen mit einer Lernlandschaft lernen z. T. 100 Schüler:innen in großen, offenen Räumen. Sie lernen selbstorganisiert mit differenzierten Lernmaterialien. Jedes Kind lernt in seinem Tempo und auf seinem Lernniveau. Die Basis für das “Funktionieren” dieses Systems liegt im persönlichen Austausch zwischen Lehrkraft und Schüler:in. Lehrkräfte schauen sich im regelmäßigen Abstand und in Abstimmung mit den Kolleg:innen die Lernergebnisse an, geben individuell Feedback und Anregungen für das weitere Lernen. Jede:r Schüler:in wird individuell auf seinem Lernweg betreut. Zeit für Reflexion und die individuelle Betrachtung des Lernens gibt es in Lernberatungsgesprächen. Die Transparenz im Lernprozess und die offene Kommunikation zahlen sich durch Motivation und Lernbereitschaft der Lernenden aus.

In offenen Lernformaten sind Lehrkräfte keine Bewerter oder Pauker. Sie sind Begleiter und Berater. Lehrkräfte brauchen aber einen tiefen Einblick in das Lernverhalten der Lernenden, um hier beraten zu können. Lehrkräfte müssen letztlich das Lernverhalten von jedem einzelnen Schüler:in verstehen. Nur dann können sie auf den Lernenden individuell eingehen und mit ihm gemeinsam herausfinden, was der Lernende gut kann und wie er sich noch verbessern kann.

Individuelle Lernstrategien

Die Umsetzung übernehmen die Schüler:innen dann im Idealfall selbst. Doch was sind das für Informationen, die benötigt werden, um ein Kind zu beraten? Die Lehrkraft muss letztlich feststellen, womit Lernende gut zurechtkommen, womit sie sich wohlfühlen und was ihnen Spaß macht. Diese Informationen muss eine Lehrkraft sammeln und dann gemeinsam mit den Lernenden in persönlichen Gesprächen auswerten.

Zusammen überlegen Lehrkraft und Schüler:in eine geeignete Lernstrategie. Die Vorteile dieses Vorgehens sind zum einen, dass die Lernenden ihr Lernen ganz bewusst reflektieren, d.h. sie schätzen ihr Lernen selbst ein und geben auch Aufschluss über ihre aktuelle Gefühlslage. Zum anderen entsteht durch das gemeinsame Analysieren und den intensiven Austausch, der die Grundlage dieser Feedbackkultur ist, eine gute und enge Beziehung zwischen Lehrkräften und Schüler:innen.

Tatsache ist: Schulen mit offenen Lernformaten haben es leichter mit einem hybriden Schulunterricht. Die Schüler:innen sind es bereits gewohnt ihr Lernen eigenverantwortlich zu organisieren und sind nicht ausschließlich auf einen Präsenzunterricht angewiesen. Ich möchte an dieser Stelle zusätzlich erwähnen, dass wir hier von staatlichen Gesamtschulen sprechen, die in vielen Fällen auch in sog. “Problemvierteln” stehen und somit nicht zu der Zielgruppe Schüler:innen gehören, die von Mami und Papi pflichtbewusst im Homeschooling begleitet werden und vermutlich noch ein paar Extraaufgaben bekommen.

Vielmehr teilen sich viele von diesen Schüler:innen mit zwei Geschwistern oder mehr ein Zimmer. Das sind erschwerte Bedingungen. Aber sie kommen klar. Denn sie kennen das. Sie kennen es zu Lernen, wenn andere Kinder um sie herumspringen. Sie haben gelernt für sich Methoden zu entwickeln, sich zu konzentrieren. Sie haben für sich herausgefunden, wie sie am besten lernen. Und das Ganze haben sie nicht alleine gelernt.

Was sie wie brauchen, haben sie gemeinsam mit ihren Lehrkräften erarbeitet. Natürlich ging das nicht von heute auf morgen. Aber es zeigt sich doch, dass das Erlernen von der persönlichen Lernmethode im Austausch und in Begleitung der Lehrkräfte der Schlüssel für eine gute Lernerfahrung sind, wenn es um die Aneignung von Wissen oder das Erlernen und Erproben von ganz Neuem geht. Und letztlich benötigen Schüler:innen genau diese Fähigkeiten: Ihr eigenes Lernen zu reflektieren, selbst zu wissen, was sie richtig gut können und in welchem Bereich sich noch verbessern können.

Lerntagebücher helfen beim Austausch

Kontinuierlich bezüglich des Lernprozesses im Austausch zu stehen schafft eine vertrauensvolle Beziehung. Wenn Schüler:innen die Rückmeldung geben, sich nicht mit einer Aufgabe wohl gefühlt zu haben, so muss darauf alsbald eine Reaktion von der Lehrkraft erfolgen. Erforderlich ist also, gerade wenn Schüler:innen selbstständig lernen, dass sie trotzdem das Gefühl haben, gehört zu werden. Um das zu gewährleisten, haben die Schulen, die sich für offene Lernformate entschieden haben, Lerntagebücher eingeführt. Hier dokumentieren die Lernenden ihren Lernfortschritt. Lehrkräfte schauen sich das Ganze an.

Lerntagebücher sollten in offenen Lernformaten unbedingt zum Einsatz kommen

Klar, wenn man sich in 20 Minuten 30 Lerntagebücher anschaut, kann da auch das eine oder andere durchrutschen. Diese Arbeit und Intransparenz sind sicherlich eine der großen Hürden bei der Einführung offener Lernformate an Schulen. Aber es lohnt sich.Von allen Lernmethoden die wir bisher gesehen haben, ist das offene Lernen eines der wenigen Modelle, in denen Kinder individuell lernen und die Fähigkeiten erwerben, die auf eine zukünftige Arbeitswelt vorbereiten. Wir sind überzeugt, dass dieser Ansatz auch für das hybride Schuljahr mitgedacht werden kann.

Die Chancen in der Stärkung von Beziehungen zwischen Lehrkraft und Schüler:in müssen erkannt werden; und auch die Chancen für dieAusbildung von Schüler:innen, die in den Wegen der offenen Kommunikation liegen. Sicherlich erleichtern digitale Lernplattform die Arbeit indem sie Lernfortschritt, Arbeitsergebnisse, Reflektion und Feedback in Zusammenhang bringen und transparent machen. Damit wird die Arbeit der Lehrkräfte erleichtert und die Grundlage für den Austausch zwischen dem Lernenden und der Lehrkraft geschaffen. Dies bildet die optimale Grundlage für ein Lernberatungsgespräch, um jeden einzelnen SchülerIn individuell im Lernen zu begleiten…


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